Komplexität im Steuerbereich

Die Gesetzgebung im Bereich der Steuern und die Einhaltung aller Regularien sowie in diesem Zug die Steuerberatung sind in den letzten Jahren zunehmend anspruchsvoller, aufwendiger und komplexer geworden. Die sich ständig weiterentwickelnde Praxis und Rechtsprechung im Steuerbereich stellen insbesondere für Privatpersonen, aber auch für kleinere und mittlere Unternehmungen eine grosse Herausforderung dar.

Oftmals wird politisch beteuert und gefordert, das Steuersystem unter anderem einfacher zu ge stalten. Die Frage ist nur, welcher Teil einfacher werden soll. Vereinfachungen hinsichtlich Digi­talisierung sind sicher begrüssenswert und durch die Behörden weiter voranzutreiben. Dass hingegen eine Trendumkehr hinsichtlich der fachlichen Komplexität gelingt, dürfte –
trotz gegenteiliger Beteuerungen – wohl eher Wunschdenken bleiben. Jüngste Beispiele, um nur einige zu nennen, sind angepasste Richtlinien zum Ausfüllen des Lohnausweises, veränderte Bestimmungen zum Meldeverfahren von Dividenden im Konzernverhältnis, massiv erhöhte steuerlich anerkannte Zinssätze für Vorschüsse und Darlehen, welche jährlich publiziert werden, oder angepasste Bundesgesetze hinsichtlich der Durchführung von internationalen Abkommen im Steuerbereich. Alles in allem handelt es sich aber bei diesen noch um verhältnismässig überschaubare Anpassungen.

Betrachten wir hingegen die im September des vergangenen Jahres durch die Schweizer Bevölkerung angenommene Abstimmung zur Stabilisierung der AHV (AHV 21), zeigt sich, dass diese Reform weiterreichende Konsequenzen nach sich ziehen wird. Sie beinhaltet unter anderem eine Änderung des Bundesbeschlusses über die Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Daher werden wir mit Inkrafttreten per 1. Januar 2024 mit einer Mehrwertsteuererhöhung, beispielsweise beim Normalsatz auf 8.1 Prozent, konfrontiert sein. Ebenfalls werden sich zum selben Zeitpunkt die derzeit gültigen Saldo­ und Pauschalsteuersätze verändern. Diese Umstellungen führen bei allen Unternehmungen in der Schweiz, unabhängig von deren Grösse, wiederum zu grossen Aufwendungen und zwangsläufig zu Übergangsfragen, welche es zu lösen gilt. Dies bindet Ressourcen und verursacht Kosten. Des Weiteren befinden sich diverse grössere und kleinere Steuerreformen im Gesetzgebungs­ und Verordnungsprozess, beispielsweise der Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung (Eigenmietwertabschaffung), die Erhöhung der Abzüge für Versicherungsprämien und für Zinsen von Sparkapitalien auf Stufe der direkten Bundessteuern, die Teilrevision des Mehrwertsteuergesetztes, die unter anderem Vereinfachungen für KMU vorsehen soll, oder die Einführung der sogenannten Individualbesteuerung, über die immer wieder in den Medien berichtet wurde, um nur einige auf Bundesebene zu nennen.

Wussten Sie im Übrigen, dass längst nicht alle Steuern in einem Veranlagungsverfahren festgelegt werden? Die Einkommensund Vermögenssteuern oder auch Gewinn­ und Kapitalsteuern werden in sogenannten Veranlagungsverfahren definitiv festgesetzt. Dabei reicht die steuerpflichtige Person ihre Steuererklärung ein. Diese wird im Anschluss von der zuständigen Steuerbehörde kontrolliert und definitiv veranlagt. Vorbehältlich bewusster Steuerumgehungen oder Falschdeklaration tritt mit der Veranlagung eine Rechtssicherheit ein. Bei Steuerarten wie der Mehrwertsteuer, den Verrechnungssteuern oder auch den Stempelabgaben funktioniert dies hingegen anders. Bei diesen handelt es sich um sogenannte Selbstveranlagungssteuern. Der Staat propagiert dies als Vertrauensbeweis in die einzelnen Unternehmen. Die fachlichen Anforderungen respektive das Wissen rund um die Steuern müssen bei den Steuerpflichtigen aber um einiges höher sein, als beispielsweise bei den eigenen Einkommenssteuern, damit die Selbstdeklaration auch korrekt erfolgt. Beispielsweise hat die Mehrwertsteuerverwaltung über 5 000 Seiten Verwaltungspraxis auf ihrer Website publiziert. Änderungen und Praxisanpassungen kommen regelmässig vor. Die Steuerverwaltung fordert auf gesetzlicher Grundlage, dass im Zeitpunkt der Deklaration die Steuerpflichtigen die aktuellsten Praxen anwendet. Anders gesagt, ist die Fehleranfälligkeit bei solchen Steuerarten um ein Vielfaches höher und damit einhergehend gilt dasselbe für das finanzielle Risiko für die Unternehmung. Dadurch, dass diese Deklarationen nicht kontrolliert werden, werden höchstens im Rahmen von Steuerrevisionen durch die Behörden Korrekturen vorgenommen. Solche Korrekturen haben dann regelmässig Zins­ und oftmals auch Bussenfolgen. Dies dürfte sicher im Sinne des Fiskus sein, jedoch kaum im Sinne der Unternehmen, welche Rechtssicherheit suchen.

An die Steuerpflichtigen, gerade im Umfeld der Unternehmen, werden hohe Anforderungen in Bezug auf das fachliche Wissen seitens der Behörden einfach vorausgesetzt. Die weiter voranschreitenden Veränderungen machen dies für die Betroffenen nicht einfacher. Hier wäre die Politik, aber auch die Steuerbehörde gefordert, diesem Trend bewusst und im Sinne der Unternehmen und der Planungssicherheit entgegenzuwirken und tatsächliche Vereinfachungen zu realisieren. Wir hoffen, die künftigen Entwicklungen gehen wieder vermehrt in diese Richtung.


Autor

Portrait Michael Ruegger 7536 Kopie 1

M.i.c.h.a.e.l. .R.ü.e.g.g.e.r

Partner
dipl. Steuerexperte
dipl. Wirtschaftsprüfer
dipl. Betriebsökonom FH
zugelassener Revisionsexperte