Krankheit eines Mitarbeitenden
aus TRETOR Newsletter Ausgabe Dezember 2/2013
Die Krankheit eines Mitarbeitenden kann verschiedene Rechtsfragen auslösen, dies meist im Zusammenhang mit der Lohnfortzahlung oder dem Kündigungsschutz. Im Obligationenrecht (OR) sind nicht alle Fragestellungen genau geregelt, weshalb für bestimmte Sachverhalte die Gerichtspraxis von grosser Bedeutung ist.
In diesem Artikel werden die gesetzlichen Bestimmungen bezüglich Lohnfortzahlung und Kündigungsschutz zusammenfassend erläutert. Zudem werden die Sachverhalte aufgegriffen, welche anhand der Gesetzesartikel nicht klar beantwortet werden können.
Die Lohnfortzahlung bei Krankheit
Die Lohnfortzahlung bei Krankheit wird im OR unter Art. 324a geregelt. Demgemäss ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer für eine «beschränkte Zeit» den darauf entfallenden Lohn zu entrichten, wenn dieser ohne eigenes Verschulden durch Krankheit an der Arbeitsleistung verhindert ist.
Gesetzliche Mindestdauer
Im ersten Dienstjahr schreibt das OR eine Lohnfortzahlungspflicht von drei Wochen vor. Ab dem zweiten Dienstjahr ist der Lohn gemäss Gesetz für eine angemessene, längere Zeit zu entrichten; in der Praxis werden entsprechend Skalen angewendet, welche abhängig von den Dienstjahren die Dauer der Lohnfortzahlung bestimmen. Untenstehend die Basler Skala, welche bei den Gerichten in den Kantonen BaselLandschaft und Basel-Stadt Anwendung findet. Es ist wichtig anzumerken, dass es sich bei der in den Skalen genannten Lohnfortzahlung um die maximale Dauer pro Dienstjahr und nicht pro Krankheitsfall handelt.
Bestimmte Dauer des Arbeitsverhältnisses als Voraussetzung
Das OR knüpft den Anspruch des Arbeitnehmers auf Lohnfortzahlung an die Bedingung, dass das Anstellungsverhältnis mehr als drei Monate gedauert hat (unbefristete Arbeitsverhältnisse) oder für mehr als drei Monate eingegangen worden ist (befristetes Arbeitsverhältnis oder unbefristete Arbeitsverhältnisse mit einer Kündigungsfrist von mind. 3 Monaten). In den ersten drei Monaten eines unbefristeten Anstellungsverhältnisses hat der Arbeitnehmer demzufolge bei Krankheit in den meisten Fällen keinen gesetzlichen Anspruch auf Lohnersatz.
In den ersten drei Monaten eines unbefristeten Anstellungs verhältnisses hat der Arbeitneh mer demzufolge bei Krankheit in den meisten Fällen keinen gesetzlichen Anspruch auf Lohnersatz.
Arztzeugnis
Ist ein Mitarbeitender infolge Krankheit an der Arbeitsleistung verhindert, so muss er den Beweis für die Arbeitsunfähigkeit erbringen. Das Gesetz sagt nichts darüber aus, ab welchem Zeitpunkt der Arbeitnehmer bei Krankheit ein Arztzeugnis vorlegen muss, der Arbeitgeber hat aber das Recht, ein Arztzeugnis zu verlangen. Es ist somit vertraglich (Personalreglement oder Arbeitsvertrag) zu regeln, ab welchem Tag ein Arztzeugnis eingereicht werden muss.
Abweichende Regelung möglich – Die Krankentaggeldversicherung
Die kollektive Krankentaggeldversicherung ist von Gesetzes wegen nicht vorgeschrieben, ist aber in der Praxis sehr verbreitet. Sie dient dem Arbeitgeber wie auch den Mitarbeitenden zur Absicherung der finanziellen Risiken bei langzeitiger Arbeitsunfähigkeit durch Krankheit. Hat der Arbeitgeber eine kollektive Krankentaggeldversicherung abgeschlossen, so kann er in Bezug auf die Lohnfortzahlung zusammen mit den Mitarbeitenden eine von den obengenannten gesetzlichen Vorgaben abweichende Vereinbarung treffen. Gemäss OR Art. 324a Absatz 3 muss eine von den Bestimmungen abweichende Regelung für den Arbeitnehmer mindestens gleichwertig sein.
Zudem muss eine Ersatzlösung im Arbeitsvertrag oder im Personalreglement schriftlich festgehalten werden; in diesem Zusammenhang wird empfohlen, auf ergänzende Dokumente wie die Versicherungsbedingungen inkl. Vorbehalte hinzuweisen.
Nun stellt sich die Frage, inwieweit Leistungen einer Krankentaggeldversicherung unter Berücksichtigung der Finanzierung für den Arbeitnehmer mindestens gleichwertig sind.
Gemäss OR Art. 324a Absatz 3 muss eine von den Bestimmungen abweichende Regelung für den Arbeitnehmer mindestens gleichwertig sein.
Nach der Gerichtspraxis ist die gesetzliche Lohnfortzahlungspflicht für den Arbeitgeber dann abgegolten, wenn die Versicherung ein Taggeld von 80% des Lohnes während mindestens 720 oder 730 Tagen innert 900 Tagen leistet. Eine etwaige Wartefrist kann durch Lohnfortzahlungen von 80% überbrückt werden, je nach Gericht sind 1 bis 3 Karenztage zulässig. Weitere Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Versicherungsprämie bezahlt.
Der Kündigungsschutz bei Krankheit
Ist ein Mitarbeitender krank, so kann ihm nicht gekündigt werden – zumindest nicht während der im OR vorgegebener Zeitspanne. Das OR definiert in Art. 336c sogenannte Sperrfristen, innerhalb welchen eine ausgesprochene Kündigung durch den Arbeitgeber nichtig ist.
Kündigt somit der Arbeitgeber einem erkrankten Arbeitnehmer während der genannten Fristen, so hat diese keine Rechtsgültigkeit und muss nach Ablauf der Frist nochmals ausgesprochen werden.
Die Sperrfristen gelten erst nach Ablauf der Probezeit und sind im ersten Dienstjahr auf 30 Tage, ab dem zweiten bis und mit fünften Dienstjahr auf 90 Tage und ab dem sechsten Dienstjahr auf 180 Tage beschränkt. Kündigt somit der Arbeitgeber einem erkrankten Arbeitnehmer während der genannten Fristen, so hat diese keine Rechtsgültigkeit und muss nach Ablauf der Frist nochmals ausgesprochen werden.
Unterbruch der Kündigungsfrist
War der Mitarbeitende zum Zeitpunkt der Kündigung gesund und wird dann während der laufenden Kündigungsfrist krank, dann wird die Kündigungsfrist unterbrochen; die Kündigung behält aber ihre Gültigkeit. Der Unterbruch der Kündigungsfrist dauert höchstens so lange wie die obengenannten Sperrfristen im entsprechenden Dienstjahr. Nach Beendigung der Sperrfrist wird die Kündigungsfrist wieder fortgesetzt. Gilt für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Endtermin, so wird die Kündigungsfrist jeweils auf den nächstmöglichen Endtermin verlängert, in den meisten Fällen auf das Ende eines Monats.
Einem Mitarbeitenden wird beispielsweise am 31. Juli mit einer dreimonatigen Kündigungsfrist auf den 31. Oktober gekündigt. Der Mitarbeitende erkrankt am 10. September und bleibt während 14 Tagen arbeitsunfähig; die Kündigungsfrist wird somit unterbrochen und beginnt am 25. September wieder zu laufen. Entsprechend würde die Frist am 14. November ablaufen, diese verlängert sich jedoch bis zum 30. November, da das Arbeitsverhältnis nur auf das Ende eines Monats gekündigt werden kann.
Gesetzeskonforme Formulierung von grosser Wichtigkeit
Die obengenannten Ausführungen sollen Ihnen einen Überblick über die rechtlichen Aspekte im Zusammenhang mit der Krankheit eines Mitarbeitenden verschaffen; im Arbeitsalltag wird man oft mit Situationen konfrontiert, wo weitere Abklärungen unerlässlich sind. Wichtig ist in jedem Fall die fachgerechte Formulierung von Ersatzlö sungen in Arbeitsverträgen oder Personalreglementen. Um unnötige Rechtstreitigkeiten und die damit verbundenen finanziellen Risiken zu vermeiden, ist es sehr empfehlenswert, vom OR abweichende Vereinbarungen nach deren Gesetzeskonformität überprüfen zu lassen.
Verhinderung an der Arbeitsleistung durch Unfall
Sobald der Arbeitnehmer obligatorisch gegen die wirtschaftlichen Folgen unverschuldeter Arbeitsverhinderung versichert ist, kommt OR Art. 324b zur Anwendung. Da jeder Arbeitgeber in der Schweiz seine Mitarbeitenden gegen Berufsunfälle und Nichtberufsunfälle (bei einer Arbeitszeit von mehr als 8 Std./ Woche) obligatorisch versichern muss, gelten demnach folgende Bestimmungen: Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer den Lohn nicht zu entrichten, sofern die Versicherungsleistung mindestens 80% beträgt. Sind die Versicherungsleistungen geringer, so muss der Arbeitgeber die Differenz zwischen diesen und 80% entrichten. Während einer allfälligen Wartefrist muss der Arbeitgeber mindestens 80% des Lohnes fortzahlen.
Autor
C.a.r.o.l.e. .S.c.h.a.l.l.e.r.-.T.s.c.h.o.p.p
HR-Fachfrau mit eidg. Fachausweis
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